Ich habe soeben Wimbledon gewonnen!

Welche Sportler heutzutage mentale Strategien nutzen und wie sie es machen?

Seit man von Boris Becker weiß, dass er heute mental besonders gut drauf ist, oder er gestern mental nicht in der besten Verfassung war, ist der mentale Zustand eines Menschen in Deutschland kommunikationsfähig geworden.

Seit langem wusste man schon, dass Astronauten und Hochleistungssportler mit Mentalem Training arbeiten. Aber es geschah unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Man sieht im Fernsehen, wie die Slalomfahrer vor ihrem Start, mit geschlossenen Augen, gedanklich die Strecke abfuhren und sich dabei genauso bewegten, als wären sie auf der Piste. Oder man sieht, wie Tennisspieler ständig irgendwelche seltsamen Bewegungen machen, so als hätten sie eine Bedeutung. Der eine zupft an den Sehnen des Schlägers, der andere fasst sich immer wieder ans Bein. Was bedeutet das?

Beim Mentalen Training, spielt vor allem der Carpenter-Effekt, eine bedeutende Rolle. Durch die intensive Bewegungsvorstellung, kommt es zu einer Erregung des Gehirns, und damit zu Mikrokontraktionen, der beteiligten Muskeln. Als Folge der intensiven Vorstellungen, kommt es zu einer Erhöhung des Gasstoffwechsels, einer Erhöhung des Atemminutenvolumens, sowie des Herzminutenvolumens, des Blutdrucks und schließlich zu einer erhöhten Empfindlichkeit des äußeren Sehens, und einer stärkeren Erregbarkeit der peripheren Nerven.

Die Qualität des Mentalen Trainings, ist jedoch abhängig, vom Leistungszustand des Sportlers.

Ein Mentales Training mit Anfängern, erzielt, aufgrund der unzureichenden Bewegungsmuster beim Ungeübten, nicht den Leistungszuwachs, wie beim (Hoch-)Leistungssportler.

Nach Untersuchungen von CLARK, hat Mentales Training bei Fortgeschrittenen und Könnern, fast denselben Effekt wie das praktische Training, in Bezug auf den Leistungszuwachs der motorischen Fertigkeiten.

Heute weiß man, dass diese Hochleistungsverdiener in den o.g. Bewegungen, ihre Erfahrungen höchster Kraft, oder Konzentration, verankert haben. Sie haben sich, im Stadium der Tiefentspannung, wieder und wieder, frühere Erfolge, oder Minuten höchster Konzentration, vorgestellt, und dabei diese Bewegung gemacht. Auf diese Art und Weise, wird ein bedingter Reflex im Unterbewusstsein verankert.

Es gibt bereits mehrere Firmen, die im Titel ihrer Firma Worte wie Mentale Trainingssysteme, Mental-Lernsysteme usw. führen.

Der Begriff Mentales Training ist in der Öffentlichkeit, zur Zeit (noch) positiv, bis sehr positiv besetzt. Er erweckt normalerweise Interesse, es wird nachgefragt.

Das Adjektiv mental, wird allerdings in allen Anwendungsbereichen (vor allem im Bereich des (Hoch-)Leistungssports, sehr inflationär gebraucht. Aus diesem Grund, soll der Begriff Mentales Training im folgenden präzisiert werden.

Was verdient wirklich das Etikett Mentales Training?

Im Sport, verstand man zunächst unter Mentalem Training, das Erlernen und Verbessern von Bewegungsabläufen, durch intensives Vorstellen, ohne gleichzeitiges körperliches Üben (ULICH 1964, 1973). So definiert beispielsweise ULICH (1973) das Mentale Training, als planmäßiges, wiederholtes, bewusstes, sich Vorstellen der zu lernenden Fertigkeiten. Dabei übt der Sportler zwar nur im Kopf, aber in seinem Körper lassen sich über das elektroenzephalographische Bild (EEG = Gehirnstrommessung), und das elektromyographische Bild (EMG = Muskelstrommessung), interessanterweise bis zu 80% genau die gleichen, physiologischen Reaktionen nachweisen, wie bei der Ausführung der gleichen Bewegungsabläufe im Wettkampf.

Das Mentale Training hat vor allem einen Einfluss auf interne Bewegungsrepräsentationen. Mentale Trainingsformen können beispielsweise dazu eingesetzt werden, die interne Bewegungsrepräsentation aufzubauen, zu differenzieren, zu korrigieren, oder zu strukturieren. Im Hinblick auf die Repräsentationsebene, lassen sich demzufolge, die Funktionen unterscheiden.

Weitere Einflussmöglichkeiten für das Mentale Training, können auf der Ausführungsebene differenziert werden. Die Mentalen Trainingsprogramme, können hier besonders zur Aufmerksamkeitslenkung, sowie zur allgemeinen Psychoregulation, eingesetzt werden, wenn z.B. die Focussierung, auf spezifische Knotenpunkte der Bewegungsausführung, oder das systematische Herbeiführen eines optimalen, mentalen Zustandes, schon vor dem eigentlichen Start geübt wird.

Beispiel: Niki Lauda beschreibt, in seinem 1975 erschienenen Buch "Formel 1", wie er vor jedem Wettkampf im Kopf das gesamte Rennen mehrfach abgefahren ist.

Die dritte Einflussmöglichkeit des Mentalen Trainings, liegt auf der Motivationsebene. Mentales Training kann hier dazu eingesetzt werden, die Zielsetzung zu erklären, oder auch eine Handlungsorientierung aufzubauen.

Dabei werden, alle nur möglichen kritischen Phasen, im Verlaufe eines Wettkampfes, vorher geistig durchgespielt.

Der Sportpsychologe, Prof. EBERSPÄCHER, gibt 1990 folgenden Überblick über das Training mentaler Fertigkeiten.

1. Das innere Selbstgespräch

Innere Selbstgespräche haben für normale Menschen immer noch den Anflug von: Nicht ganz richtig im Kopf bzw. psychiatrisch krank zu sein. Dabei ist es die normalste Sache der Welt, dass man seine Gedanken nicht immer laut ausspricht, sondern sie bewusst denkt.

Wie differenziert diese inneren Stimmen, oder inneren psychischen Instanzen, bei jeder Einzelperson sind, ist sehr unterschiedlich. Es hängt davon ab, wie intensiv jemand sich mit sich selber beschäftigt, z.B. durch Tagebuch schreiben, mit sich selber laut reden, oder Meditieren und Gedanken beobachten.

Für Hochleistungssportler ist die Fähigkeit zum bewussten inneren Dialog, so etwas wie der Führerschein und die ersten 1.000 Fahrkilometer, für einen 18-Jährigen. Sie ermöglichen ihm, sich von innerem Stress zu befreien, umzuschalten auf Konzentration, und auf Sieg-Programmierungen.

Bei Boris Becker, konnte man zum Beispiel sehr oft erleben, dass er diese inneren Dialoge laut führt, insbesondere wenn er Ärger rauslassen wollte. Damit befreite er sich von innerem Stress, der ihn vom Hier und Jetzt ablenkte, und er konnte wieder auf Konzentration umschalten.

2. Die innere Selbstüberzeugung

In kritischen Wettkampfsituationen, wenn Zweifel an den Sieg oder an den eigenen Fähigkeiten aufkommen, ist es gut, wenn man sich seine Stärken, seine bisherigen Erfolge und den aktuellen, guten physischen Zustand bewusst machen kann.

Auf diese Art und Weise, schaltet man seine Zweifel ab, und (re-)aktiviert diese bis dato vorhandene Überzeugung, das gesteckte Ziel genau jetzt zu erreichen. Deshalb nennt man diese Art von innerem Dialog Selbstüberzeugungstechnik.

Im Training, werden diese Selbstüberzeugungstechniken, besonders intensiv geübt. Man koppelt z.B. den Satz Jetzt bin ich dran! mit konkreten Prognosen über die nächsten Leistungen, wie z.B. 9 von 10 Aufschlägen bringe ich ins Feld oder 3 von 5 Bällen landen im Tor.

Dieses Prognosetraining wird, wenn es klappt, dann weiter gesteigert zum Training der Nichtwiederholbarkeit und Training der Nichtwiederholbarkeit mit Zeitverzögerung. Es gibt in jedem Wettkampf, Situationen und Chancen, die man nur einmal hat. Hier muss man besonders die Nerven behalten. Deshalb werden solche nichtwiederholbaren, einmaligen Situationen besonders geübt. Jetzt gewinne ich den Tie-Break, das ist meine Chance und ich bin gut drauf.

Die Steigerung solcher Situationen ist die, wenn zwischen der Erkenntnis und dem Zeitpunkt der Chance ein definierter Zeitraum liegt. Eine Pause von 10 Minuten oder eine Verlagerung auf den nächsten Tag, wegen schlechten Wetters.

3. Das bewusste Wahrnehmen und die unterschiedlichen Formen von Aufmerksamkeit

Im Hochleistungssport unterscheidet man vier Formen von Aufmerksamkeit:

  • External weit
  • External eng
  • Internal weit
  • Internal eng

External weit heißt, sich mit einem Blick einen Überblick zu verschaffen – z.B. über das ganze Fußballfeld, über den ganzen Golfplatz, oder über die Thermik des ganzen Tals.

External eng heißt, sich auf eine einzige Bewegung des Gegners zu konzentrieren, und diese quasi in Großaufnahme wahrzunehmen – z.B. wie steht meine Gegnerin an der Linie, und wie schlägt sie auf.

Internal weit heißt, mit einem Wort den gesamten eigenen inneren Zustand, gefühls- oder stimmungsmäßig, zu erfassen – z.B. kämpferisch, niedergeschlagen, deprimiert, resigniert, stark, wütend oder zufrieden.

Internal eng bedeutet, einen ganz konkret beschriebenen körperlichen oder psychischen Bereich, bewusst wahrzunehmen – z.B. beim Weitsprung, den Tritt und den Absprung, vom Markierungsbrett.

Wenn man diese vier Formen von Aufmerksamkeit beherrscht, und bewusst wahlweise, sowie situationsangemessen umschalten kann, spricht man bei (Hoch)-Leistungssportlern, von einer guten Konzentrationsfähigkeit.

Die Steigerung davon, ist die sogenannte Konzentration in der Zeit. Hiermit ist gemeint, dass man sich auch über längere Zeit und unter dem Stress eines Wettkampfes, indem auch mal der Gegner zeitweise im Vorteil ist, sich durch absolut nichts, aus der Wahrnehmung, der gerade zu verrichtenden Tätigkeit, herausbringen lässt.

4. Das bewusste Regulieren von Anspannung und Entspannung

Um mental zu trainieren, muss man sich entspannen können. Und um den Körper auf Höchstleistung hochzutouren, muss man Mobilisationstechniken beherrschen. Beides wird mental gestartet, beobachtet, und optimiert. Dem eigentlichen Mentalen Training, sollte eine Entspannungsphase vorgeschaltet werden, um den Einstieg zu erleichtern und das Konzentrationsvermögen zu erhöhen. Autogenes Training und progressive Muskelrelaxion oder das Vorschalten ruhiger Musik, helfen, das eigentliche Training durch Bewegungsvorstellung, vorzubereiten.

Beispiel: Eine Eiskunstläuferin, die sich vor dem Start warmgelaufen hat, macht vor dem Auftakt der Musik, mit der ihre Kür beginnt, eine kurze Pause. Sie schließt die Augen, man sieht, wie sich der Körper und das Gesicht entspannt, dann gibt es einen Ruck - die Musik und das Feuerwerk der Kür beginnt.

5. Komplexe Handlungsabläufe visualisieren

Je komplizierter und schwieriger, die Handlungs- und Bewegungsabläufe, z.B. eines Slalomläufers, Astronauten oder Autorennfahrers sind, um so wichtiger ist es für ihn, den gesamten Ablauf dessen, das er jetzt vor sich hat, bereits in allen Details und im Ganzen, im Kopf zu haben. Dazu wird die gesamte Handlung, ausführlich beschrieben und auswendig gelernt. Diese Ausführungsvorschriften werden als Drehbücher bezeichnet. In ihnen ist der komplette Handlungsablauf der sportlichen Übung enthalten. Der Sportler übt dieses Drehbuch zuerst nach der Aufwärmphase und vor der eigentlichen Trainingseinheit und zum anderen in einer Trainingspause, damit der Vorgang des Mentalen Trainings während des Trainings zur Routine wird.

Die im zweiten Schritt enthaltenen Knoten, bzw. möglichen Knackpunkte der Handlungen werden mit Worten beschrieben, um die kritischen Sequenzen oder Aktionen zu terminisieren. Dieses verkürzte Drehbuch wird mit markanten, kurzen Worten belegt und schließlich visualisiert.

Danach wird es, per innerem Selbstgespräch im Geiste, aufgesagt und sich ausführlich vorgestellt. Im nächsten Schritt werden die Knoten- bzw. möglichen Knackpunkte der Handlung mit Worten beschrieben und dieses neue verkürzte Drehbuch mit markanten, kurzen Worten visualisiert. In der Wettkampfphase wird dann nur der emotional hochbesetzte Stichpunktkatalog im Kopf, als jeweilige mentale Einstimmung auf die äußere Handlung, kurz abgearbeitet.

6. Problemsituationen positiv visualisieren

Nach Niederlagen oder nach groben Fehlern entwickelt jeder Mensch Ängste und Vermeidungshaltungen. Diese führen dann vor und in der nächsten Anforderungssituation zu innerem Stress. Deshalb werden diese schwierigen Situationen in besonderer Zeitlupe in der geistigen Vorstellung neu und positiv einstudiert und durch Wiederholung im entspannten Zustand mit Kurzformulierungen und positiven Sprüchen verankert. Dadurch werden die Ängste und Vermeidungshaltungen lange vor der nächsten Gefahr abgebaut.

7. Die Zielprogrammierung

Das Wichtigste für einen Hochleistungssportler ist natürlich der Sieg, der damit verbundene Ruhm und die Siegprämie. Es ist heutzutage absolut üblich, sich auf den Sieg zu programmieren. Das bedeutet auf realistischer Basis und in einer dem/n Gegner/n angemessenen Form vor jedem Wettkampf das konkrete Ziel zu formulieren und im Zustand nach Zielerreichung zu visualisieren.

Ein weiterer Punkt der Zielprogrammierung kommt den langfristigen Trainings und Leistungsaufbau zu. Dies ist entscheidend um einmal ganz oben zu stehen. Aus diesem Grund müssen Ziele realistisch an das entsprechende Leistungspotential gekoppelt sein, um das Endziel und die von ihm ausgehende Motivation nicht zu gefährden. Gewöhnlich vergehen vom Erlernen einer Sportart bis zur Weltbestleistung (in der entsprechenden Disziplin) durchschnittlich acht Jahre. Dieser Sachverhalt macht es deutlich, wie entscheidend der Umgang mit Etappenzielen und darüber hinaus die Arbeit mit Mentalen Trainingsformen, ist.

Der optimale Einsatz sind zwei mentale Trainings pro Tag und ca. acht körperliche Trainingseinheiten.

Von Michael Stich wurde nach seinem Wimbledonsieg 1991 bekannt, dass er nicht nur zweimal pro Tag die erste Minute nach dem Sieg in Wimbledon visualisiert hatte, sondern dass er sogar die Siegespose (siehe Stern-Titelbild 29/91) körperlich mit eingeübt hatte.

Von Roger BANNISTER ist seit 1954 bekannt, dass er die Sieg-Programmierung: "Ich laufe die Meile in weniger als vier Minuten" bereits monatelang vorher in seinem Unterbewusstsein verankerte. Genauso wie es heute Henry Maske oder Michael Schumacher tun. Diese Art von mentaler Unterstützung zur Erreichung eines Ziels nennt man auch Mentales Erfolgstraining.

Seit Napoleon Hill, Dale Carnegie, Oscar Schellbach und viele andere Erfolgsstrategien für Jedermann publiziert und trainierbar gemacht haben, spricht man von Mentalem Erfolgstraining. Der Grundgedanke besteht darin, dass man sich mit bestimmten Zielen identifiziert, die unwiderrufliche Entscheidung fällt, diese zu erreichen und dass man sich den Zustand nach Zielerreichung vor seinem geistigen Auge wieder und wieder vorstellt.

Seitdem gibt es das Berufsbild des Erfolgstrainers und weltweit unzählige Erfolgslehrer, die diese Strategien der Zielerreichung anderen Menschen vermitteln. Der zur Zeit größte Erfolgsguru, Anthony Robbins, füllt mit seinen Vorträgen ganze Theatersäle und Fußballstadien.

Der sich daraus entwickelte Zweig des Mentalen Erfolgstrainings hat sich mittlerweile auf fast alle Lebensbereiche ausgeweitet.

Das heißt, dass man mit mentalen Strategien heutzutage:

· Einstellungen und Überzeugungen konstruktiv verändert,

· unternehmerische und persönliche Ziele schneller erreicht,

· neues Verhalten und Vorlagen von anderen übernimmt und einübt,

· sich auf neue und schwierige Situationen vorbereitet,

· vergangene Situationen analysiert und

· belastende Situationen aus der Vergangenheit aufarbeitet.

Distanzierung von äußeren Störfaktoren zur Stärkung und zum

Schutz der Persönlichkeit.

Das bedeutet, dass der Weg des Mentalen Trainings in alle Lebensbereiche geebnet ist. Und das hat ganz einfach etwas mit der höheren Effektivität, dem besseren Verhältnis von Aufwand und Nutzen, gegenüber herkömmlichen und bekannten Verfahren zu tun.

Dazu schreibt Dr. CHRISTMANN in einem Fachbuch über den Stand, die Methoden und die Ergebnisse des Einsatzes von Mentalem Training in verschiedenen Bereichen der Psychotherapie (1994 S. 75):

Mentales Training ist, ganz nüchtern betrachtet, eine Standardmethode zur Problembewältigung, die auch in finanziell schwierigeren Zeiten (wenn die Kassen nicht mehr jede Psychotherapie zahlen) Zukunft haben wird.

Mentales Training lässt sich nicht nur zur Selbsthilfe und in der Einzeltherapie anwenden, sondern auch in Gruppen und im Rahmen fortschrittlicher Konzepte, zur Intensivtherapie, wie sie zur effizienteren Behandlung bei Ängsten, chronischen Erkrankungen und Süchten vorgeschlagen werden.

Das bedeutet, dass Dr. CHRISTMANN die höhere Effizienz von mentalem Training gegenüber anderen Psychotherapiemethoden schon jetzt eingesteht.

Weitere Beispiele wie sich Hochleistungsexperten die Arbeit und das Leben durch Anwendung mentaler Strategien erleichtern sind:

Von Astronauten, hört man nach schwierigen Situationen im Weltraum öfter den Satz: Genauso wie im Training. Das heißt, sie haben diese Havarietrainings, genauso wie Piloten oder Autorennfahrer, schon x-mal im Kopf absolviert, um im möglichen Ernstfall auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein.

Eine andere Spezialdisziplin mentaler Vorbereitung demonstrierte der Boxer Henry Maske. Vor jedem Kampf studierte er zusammen mit seinem Trainer ausführlich alle Stärken und Schwächen seines Gegners anhand von Videoaufnahmen bisheriger Kämpfe. Danach wurde, eine für diesen Gegner maßgeschneiderte Siegesstrategie, erarbeitet, auswendig gelernt und sowohl mental, als auch mit Sparringspartnern, körperlich eingeübt und verankert.

Gerade Henry Maske ist dafür berühmt, dass er unter keinen Umständen, während des Kampfes von dieser Strategie abwich (keine Regel ohne Ausnahme: Im ersten Kampf gegen Rocky Roccichiani hatte Henry Maske offensichtlich überhaupt keine gegnerbezogene Strategie, sondern die Absicht durchs Wasser zu gehen, ohne nass zu werden). Und in seinen letzten Weltmeisterschaftskämpfen hatte er nach 12 Runden durchschnittlich 100 Treffer mehr als seine Gegner.

Henry Maske hat den Spruch: "Erfolg beginnt im Kopf" zum kulturellen Allgemeingut gemacht.

Mark Allen’s (erfolgreichster Ironman-Triathlet) Strategie war es, nicht über die gesamte Distanz hinweg zu führen, sondern erst im letzten Streckenabschnitt die Führung zu übernehmen. Es ist leichter einen Ironman aus der Verfolgerrolle zu absolvieren, als in der kräftezehrenden Führungsposition den Wettkampf kontrollieren zu wollen. Mit Hilfe dieser Mentalen Strategie war es ihm möglich, seine eigenen Ressourcen zu schonen und den Wettkampf mit dem Sieg zu beenden.

Oder Nicky Lauda, der mit seinen nie versiegenden, mentalen Kräften, unsagbar schwierige Lebenssituationen als mehrfacher Sieger überwunden hat. Woher hat er seine Kraft? Er holt sie sich dort, wo alle sie finden könnten, wenn sie nur wüssten wo der Hahn ist und wie man ihn aufdreht.

In sich selbst, im Kopf.

Im mentalen Training für Sportler werden hochdifferenzierte Anwendungen mentaler Strategien auf hochspezifische Leistungssituationen Einzelpersonen verfügbar gemacht.

Warum soll es jetzt also nicht an der Zeit sein, diese, sich in verschiedenen Bereichen bewährten Anwendungen Mentaler Strategien, von der Eliteebene der V.I.P.'s für die sogenannte Normalbevölkerung verfügbar zu machen.

Denn, hat nicht jeder ein Recht darauf mental fit zu sein?

Aber diese mentalen Kraftquellen sind eben nicht so einfach über gute Hinweise in einer Talkshow oder den Memoiren verfügbar.

Mental zu trainieren heißt: Gedanken bewusst und konzentriert zu denken, ohne sich von Gefühlen oder anderen Gedanken ablenken zu lassen. Was wir alle kennen und gewohnt sind, ist das assoziative oder wilde Hin- und Herdenken. Ein Gedanke verjagt den anderen und wenn Gefühle ins Spiel kommen, insbesondere intensive Gefühle, dann bestimmen diese Gefühle was gedacht, erlebt und reflektiert wird. Vera Birkenbihl spricht in diesem Zusammenhang vom Hormo-Sapiens. Wenn Gefühle und die Hormone regieren setzt das geordnete Denken völlig aus.

Um sich also vom gewohnten Wilden Denken zu befreien und das geordnete Denken zu erlernen, braucht man am besten einen Lehrer, der einen systematisch in diese Technik einführt. Und dieser Lehrer sollte so sein wie ein Scout im Wilden Westen. Er kennt sich überall gut aus und gibt einem, an den entscheidenden Stellen, den richtigen Hinweis.

Mentale Fitness umfasst die Fähigkeit, wesentliche Gedanken und Gefühle jederzeit, also auch unter Stress, nach den eigenen Zielstellungen steuern zu können.

Das soll an drei Beispielen verdeutlicht werden.

Beispiel 1 Der Umgang mit Schmerzen

Das Schmerzsignal ist eine Vorsichtsfunktion des Körpers. Es sendet dem Bewusstsein die beiden Botschaften: Sofort damit aufhören/Ursache vermeiden und Gegenmaßnahmen einleiten. Beim Überdehnen von Sehnen oder Muskeln heißt das Fußhaltung korrigieren und bei Husten und Schnupfen heißt es Medikamente besorgen!

Der Umgang mit Schmerzen, ist im (Hoch-)Leistungssport ein oftmals entscheidendes Kriterium. Dabei ist das Schmerzempfinden vom einen zum anderen Sportler nur geringfügig unterschiedlich. Ausschlaggebend für die Leistung ist die Fähigkeit, Schmerzen auch unter extremen Belastungen zu verdrängen. Diese Fähigkeit ist einer der Gründe, warum Frauen gegenüber Männern in Ultrawettkämpfen überlegen sind. Als Beispiel hierfür wäre die mehrfache Ultratriathlongewinnerin Astrid Benöhr zu nennen, die bereits mehrfach die Männerkonkurrenz geschlagen hat. Diese mentale Verdrängung ist ein Ergebnis Mentaler Fitness. Der Tour de France-Sieger Jan Ullrich weist neben einer kompletten physischen Stärke und seinem unendlichen Selbstvertrauen auch die Fähigkeit und Bereitschaft auf, mehr zu leiden als alle anderen. Das Ziel heißt "der Sieg und die Erlösung kommt mit dem Überfahren der Ziellinie". "Jan Ullrich 1997, im Ziel von Alp d'Huez, die Beine brennen, das Herz flimmert, noch zwei Minuten, dann bin ich im Ziel!"

Diese mentale Umbewertung ist ein Ergebnis mentaler Fitness. Man muss innere, mentale Vorgänge wahrnehmen und umgestalten können. Dazu muss man genügend entspannt sein und die Fähigkeit besitzen Spannungen aller Art zu ertragen.



Beispiel 2 Der Umgang mit Freude

Jeder hat in seinem Leben schon viele glückliche Momente erlebt. Wie geht das vor sich? Das Gefühl der Freude kommt auf, es wird wahrgenommen und man lässt es idealerweise auch ganzkörperlich zu. Lächeln, sich entspannen, eventuell drüber reden (mit anderen die Freude teilen und dadurch verdoppeln), tief einatmen und es sich dadurch noch mehr bewusst machen.

Die Steigerung von Freude besteht nun im bewussten Sich-wieder-erinnern dieses Augenblicks der Freude, in einer entspannten und sicheren Umgebung, entweder wenn man mit sich alleine ist, in der Familie oder in der Anwesenheit von Freunden. Dann kann man sich den Anlass, den Augenblick der Freude, die Art der Freude - und im Vergleich dazu, die verschiedenen misslungenen Situationen -  bewusst machen, sie aussprechen und in allen Details reflektieren. Wenn man dazu entspannt ist und es sich auch ansonsten noch gemütlich macht, ist das eine ideale Situation (und wichtige Voraussetzung). Genau das tut man ja auch, wenn man sich z.B. Urlaubsbilder oder Bilder von persönlichen Höhepunkten anschaut und sich eben noch mal so richtig freut. Die Freude durch erinnertes Reflektieren ist bis zu 90% genauso intensiv wie die Originalfreude.

Beispiel 3 Der Umgang mit äußerem Stress

Stressoren aller Art bestimmen immer mehr unser Leben. Einer der schlimmsten Stressoren ist die erlebte Zeitnot. "Das muss ich noch machen und das habe ich vergessen und das muss unbedingt heute noch passieren..." - Wer kennt solche inneren Zustände nicht? Wenn dann noch irgend etwas im Außen nicht funktioniert oder kaputt geht oder von anderen fahrlässig verschlampt wird, dreht man schnell durch. Man regt sich auf, der Blutdruck steigt, die Bewegungen werden hektisch, das Blut schießt einem sichtbar in den Kopf, der Atem wird kürzer und es täte gut, jetzt irgend etwas zu schreien oder sich anderweitig abreagieren zu können. Soweit sollte man es gar nicht erst kommen lassen.

Bei den ersten körperlichen Anzeichen von Stress sollte man die mentale Notbremse ziehen. Das bedeutet, sofort die aktuellen Tätigkeiten unterbrechen, bewusst tief ein- und auszuatmen, den Körper rekeln und strecken, eventuell ein paar Schritte machen oder eine kleine Runde drehen. Danach kann in Ruhe im Kopf wieder neu entschieden werden, was in welcher Reihenfolge und wann erledigt werden soll. Dies ist eine der entscheidenden Fähigkeiten mentaler Fitness - rechtzeitig Hektik- und Panikgefühle erkennen und beenden können, danach sich bewusst zu entspannen und durch Neustrukturierung der äußeren Stressoren den Stress von Außen zu betrachten, um somit Gelassenheit zu ermöglichen.

Mentale Fitness ist ein Qualitätsmerkmal psychischer Gesundheit, und eine wesentliche Voraussetzung für Lebensqualität.

Wenn Sie selber bald damit beginnen wollen, sich die wichtigsten mentalen Strategien für Ihren Alltag zu erobern, empfehlen wir das Kraftquellentraining 1.